Wie bereitet man sich als Journalist auf ein Interview vor? Zu allererst gilt es, Informationen über seinen Interviewpartner herauszusuchen, um dann später geeignete Fragen zu stellen und nicht in peinliche Fettnäpfchen zu treten. Eine Routinevorbereitung, die sich im Falle David Cannon schwieriger gestaltete als erwartet. Immerhin ist der Engländer seit Jahrzehnten auf den schönsten Golfplätzen der Welt unterwegs und schoss bereits dutzende unvergessene Bilder der besten Golfer aller Zeiten. Informationen zu seiner Person sind jedoch so rar gesät, dass man nicht einmal sein Alter herausfindet.
Wir hatten die Ehre, den erfahrenen Fotografen von Getty Images bei der PGA Championship 2014 in Valhalla zu treffen. Der Treffpunkt: die Pressekantine. Als wir ankamen, unterhielt sich Cannon mit seinem Smartphone per Videotelefonie mit einem Kind. "Das war mein vier Jahre alter Sohn", verriet er uns wenig später. Bei über 25 Turnieren im Jahr bleibt Cannon nicht viel Zeit für die Familie. Insgesamt hat Cannon drei Kinder. Er stellt früh klar: "Man kann diesen Job nicht so machen wie ich, wenn man Golf nicht liebt."
'Seve war mein Lieblingsspieler'
Wie sehr der in Sussex (England) wohnende Cannon den Golfsport liebt, wird einem in jeder der 20 Minuten Gesprächszeit bewusst. Seit mehr als 30 Jahren ist er im Profigeschäft unterwegs und dementsprechend lang könnte man ihm zuhören, wie er Geschichten aus seiner Zeit erzählt. Am hellsten leuchteten seine Augen, wenn er über Seve Ballesteros redete. "Er war mein Lieblingsspieler. Jeder Tag, an dem ich mit Seve rausging, wusste ich, ich würde ein gutes Foto bekommen. Er hatte Charisma. Und selbst schlecht gelaunt, sah er noch gut aus." Die besten Bilder hat Cannon früh in seiner Karriere geschossen. "Damals trugen die Spieler keine Kappen. Da sieht man die Person und dessen Charakter viel besser."
(David Cannon und Seve Ballesteros, Photo by David Cannon/Getty Images)
Cannons Begeisterung für die Fotografie entwickelte sich relativ spät. Mit 22 hielt er erstmals eine Kamera in der Hand. Nur zwei Jahre später reiste er bereits zu seiner ersten Open Championship. Jedoch nur zu privatem Zweck. Wirklich Geld verdienen konnte man zu dieser Zeit als Golffotograf ohnehin noch nicht - jedenfalls nicht in Europa. Deswegen knipste der Brite zunächst zwei Jahre Fußball- und Rugbyspiele von Leicester. Cannons Begeisterung für den Mannschaftssport hielt auch weiter an. Zwischen 1982 und 2010 war er bei jeder Fußball WM vor Ort - beruflich versteht sich.
'Ich liebe den Nervenkitzel'
Golf ist jedoch ganz klar Cannons Sportart Nummer eins. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass er selbst bereits mit zwei Jahren erstmals zum Schläger gegriffen hat. "Mein Vater hat mir einen Schläger gekürzt und dann habe ich im Garten Bälle gehauen." Ernsthaft Golf gespielt hat er dann aber erst mit 15. Das Talent war ohne Zweifel vorhanden. "Ich schaffte es innerhalb von zweieinhalb Jahren zum Scratch-Golf." Für den ganz großen Sprung hat es jedoch nicht gereicht. "Ich spielte in einer Jugendgruppe mit Sandy Lyle und Nick Faldo, habe aber relativ früh gemerkt, dass ich nicht so gut bin wie sie."
(Tony Jacklin, Sir Nick Faldo und David Cannon, Photo by Andrew Redington/Getty Images)
Dafür zählt Cannon aber in der Fotografie zu den besten seines Fachs. Eine Ausbildung oder ähnliches hat er nie genossen. "Ich habe mir alles selbst beigebracht. Mir wurde nichts gezeigt. Ich besuchte keine Schule, sondern habe einfach ausprobiert." Ein Meilenstein in seiner so überaus erfolgreichen Karriere wurde in 2014 in Valhalla gesetzt. Die PGA Championship markierte sein 100. Major. Eine Zahl, die weiter ansteigen wird, denn ans Aufhören denkt er noch lange nicht. "Ich liebe den Nervenkitzel, großartige Bilder zu schießen." Es ist die Leidenschaft und die Liebe zum Golf, die Cannon antreibt, weiterhin im Zirkus der Größten mitzumischen. Nur eben nicht vor, sondern hinter der Kamera.
STECKBRIEF: David Cannon
Handicap: 8
Wohnsitz: Sussex (England)
Webseite: twitter.com/Cannonball63
Kamera: Canon EOS-1D X, EOS 5D Mark 3
Motive: Querbeet, aber inzwischen nur noch Golf
Fotogenster Platz: Turnberry
Fotogenster Profi: Seve Ballesteros
Dein Geheimtipp zu Golf-Fotografie: Als erster und letzter draußen sein. Der Hintergrund ist wichtig