Man hoffte darauf, noch einmal den Geist von Medinah wecken zu können. Damals holten die Europäer einen Rückstand von 10 zu 6 auf und feierten dank einer denkwürdigen Aufholjagd am Sonntag den Sieg in der Fremde. Bei der nun 43. Ausgabe des Ryder Cups waren es sogar sechs Punkte Rückstand vor den Einzel-Matches an Tag drei. Und statt eines weiteren Wunders, wurde man in Whistling Straits Zeuge einer Machtdemonstration der US-Amerikaner. Das Team von Kapitän Steve Stricker ließ zu keinem Zeitpunkt Zweifel an der Dominanz der Gastgeber aufkommen und führte zwischenzeitlich in neun der zwölf Einzelpartien. Für Europa ging es bereits früh um Schadensbegrenzung. Alles deutete auf die höchste Niederlage für Kontinentaleuropa in der Geschichte des Ryder Cups hin.
"Wenn man nur eine Ein-Prozent-Chance hat, braucht man 100 Prozent Glaube", sagte Shane Lowry noch am Samstagnachmittag. Vorangegangen war einer der wenigen Jubelmomente der Europäer, als der Ire einen langen Putt auf der 18 zum Matchgewinn versenkte. Von dieser Euphorie war am Sonntag jedoch nicht mehr allzu viel zu spüren. Zu drückend war die Überlegenheit der US-Boys. Dabei konnte der an den ersten beiden Tagen so viel gescholtene Rory McIlroy das erste Match des Tages früh in seine Richtung lenken. Der Nordire war von Beginn an der bessere Spieler und zeigte gegen Xander Schauffele die Leistung, die man bis dato von ihm vermisste. "Ich war extrem enttäuscht, dass ich nicht mehr für das Team beitragen konnte", so McIlroy, der bis zu den Einzeln alle seine drei Matches verlor. Zumindest am Sonntag konnte er aber nochmals punkten dank eines 3-und-2-Sieges gegen Schauffele.
COME ON!
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An important putt by Rory McIlroy in the top match ??#TeamEurope #RyderCup pic.twitter.com/aFZ9bO1Cgb
Von Hoffnung war nach dem ersten Punktgewinn des Tages jedoch wenig zu spüren. Europa hätte neun der zwölf zu vergebenen Punkte benötigt, um mit insgesamt 14 Punkten den Titel zu verteidigen. Der rote Zug rollte in den nachfolgenden Matches aber weiter über die Truppe von Captain Padraig Harrington hinweg. Scottie Scheffler siegte souverän gegen Jon Rahm mit 4 und 3 und entschärfe damit ausgerechnet Europas stärkste Waffe. Rahm holte an den ersten beiden Tagen 3,5 Punkte. Doch dass selbst der Weltranglistenerste an diesem Tag nicht zur Bestform auflief, war symptomatisch für den Verlauf des Finals, der sich immer mehr zu einer Ehrenrunde für die US-Amerikaner entwickelte.
Den insgesamt 13. Punkt für Team USA holte Patrick Cantlay dank eines 4-und-2-Erfolgs über Lowry, der spätestens zu diesem Zeitpunkt selbst nicht mehr an den Sieg seiner Mannschaft glaubte. Und nachdem Bryson DeChambeau Sergio Garcia mit 3 und 2 bezwang und Punkt Nummer 14 klarmachte, war es nur noch eine Frage der Zeit bis der 27. Ryder-Cup-Sieg der US-Amerikaner offiziell wurde. Letztlich war es Collin Morikawa, der mit einem Birdie auf der 17 1auf ging und wenig später gegen Rookie Viktor Hovland den letzten nötigen halben Punkt sicherte. Die Feierlichkeiten hielten sich - abgesehen von den lauten 'U-S-A'-Rufen der vielen Zuschauer rund um das 18. Grün - angesichts der Deutlichkeit und Erwartbarkeit des Triumphs zunächst noch etwas in Grenzen. Zudem waren noch sieben der zwölf Teammitglieder auf dem Platz unterwegs und jagten einen neuen Punkterekord.
With the half point guaranteed, the United States clinches the 43rd #RyderCup pic.twitter.com/jbMy5f7uxM
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In den verbleibenden Matches schrammte Brooks Koepka an der 17 noch knapp am ersten Hole-in-One der Woche vorbei und besiegelte mit dem geschenkten Birdie seinen Punktgewinn gegen Bernd Wiesberger, der lange Zeit gut mithielt mit dem vierfachen Major-Sieger, Whistling Straits nach drei Niederlagen aber punktlos verlässt. Dustin Johnson brillierte an den drei Tagen dagegen mit der vollen Punktausbeute und gewann alle seine fünf Matches. Am Sonntag musste Paul Casey dran glauben, der wie Wiesberger ohne Punkt nach Hause fliegt.
Emotional wurde es nochmal als Ian Poulter sein Einzel gegen Tony Finau gewann und anschließend seine Tränen nicht unterdrücken konnte. Schon vorher schluchzte McIlroy beim Interview und konnte seine Gedanken nur schwer in Worte fassen: "Ich liebe es, Teil dieses Ganzen zu sein und kann es nicht erwarten, es viele weitere Mal zu sein. Es ist das Beste, was es gibt." Momente, die einmal mehr zeigten, mit wie viel Herzblut man auf europäischer Seite bei der Sache war. Umso größer fiel die Enttäuschung angesichts des deutlichen Ausgangs des 43. Ryder Cups aus. "DIe US-Amerikaner haben völlig verdient gewonnen, aber ich bereue keine meiner Entscheidungen", erklärte ein sichtlich enttäuschter Harrington.
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McIlroy und Poulter sollten aber nicht die einzigen Europäer bleiben, die ihre Duelle gewinnen konnten. Lee Westwood gelang wie schon seinen beiden Teamkollegen der erste Punktgewinn der Woche dank eines 1auf-Sieges gegen Harris English. Eine Punkteteilung von Jordan Spieth und Tommy Fleetwood sowie der Sieg im letzten Match von Daniel Berger hatte ein finales Ergebnis von 19 zu 9 zur Folge. Damit stellte man einen neuen Rekord auf, denn so deutlich gewann noch nie ein Team den Ryder Cup in der modernen Ära (seit 1979). Das Wunder blieb also aus, doch Geschichte wurde in Whistling Straits trotzdem geschrieben.