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Handicap Papa

Die Spontanheilung

Unser Handicap-Papa-Kolumnist wurde geheilt: Bei der Porsche European Open wurde ihm mal wieder klar, dass besser Golf spielen können nicht weniger Sorgen haben bedeutet.

08. Juni 2022

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Mit dem Golf ist es wie mit dem Abnehmen. Der mit seinem Gewicht Unzufriedene sagt: "Mit zwanzig Kilo weniger wären alle meine Probleme verschwunden, ich wäre ein neuer Mensch." Der Golfer geht ähnlich heran: "Mit einem einstelligen Handicap wäre ich alle Sorgen los."

Der Vergleich hinkt natürlich insofern, dass zwanzig Kilo weniger tatsächlich das Leben verändern können, man sich gesünder und fitter fühlt. Mit deutlich mehr als zwanzig Kilo Übergewicht weiß ich, wovon ich spreche. Aber eine erfolgreiche Diät bewahrt einen eben auch nicht vor alltäglichen Sorgen: Heizkostennachzahlung, Bier alle, Deutsche Bahn.

Die Perspektive

Ein einstelliges Handicap hingegen sieht zwar auf der Mitgliedskarte prima aus, löst aber keine Sorgen. Es produziert nur andere Sorgen. Es ist eben immer eine Frage der Perspektive: Für mich unterbegabten Hacker ist jedes Par ein Erfolg. Für den Spitzengolfer ein Muss. An einem Par 5 eine Katastrophe. 

Trotzdem wir alle also wissen, dass weder das eine noch das andere unser Leben wirklich nachhaltig verändert, geben wir uns immer wieder der Illusion hin. Wir schielen bewundernd auf die Startlisten und die guten Jungs und Mädels, die beim Clubturnier lange vor uns starten dürfen mit ihren Minus-Handicaps: "Boaar, die haben's gut! Die können so toll Golf spielen."

Die Spontanheilung

Seit Anfang Juni bin ich von dieser Illusion, die auch mich immer wieder befällt, geheilt. Ich war wieder bei der Porsche European Open vor den Toren Hamburgs zu Gast. Wobei Gast nicht die korrekte Formulierung ist. Ich war tatsächlich zum Arbeiten vor Ort. Ich weiß, ich weiß - der Begriff Arbeit in Verbindung mit mir klingt immer etwas dubios. Aber es war tatsächlich so, dass ich die Woche im Mediacenter und hinter den Kulissen verbrachte. Was auch meine Spontanheilung von der Illusion erklärt. Ich war recht nah dran an den Spielern und bekam eine Ahnung von deren Perspektive.

Da stehen die Pros am 180-Meter-Par-3 (zwischen Abschlag und Grün nur Wasser), ein Eisen 7 in der Hand und fluchen, wenn der Ball sieben statt zwei Meter neben der Fahne landet. Unsereins hätte bei diesem Ergebnis erstmal eine Flasche Schampus geschmissen, weil er zur Abwechslung das Hölzchen mal geradeaus gehauen hat. Anderes Beispiel: Die Bahn zu treffen, ist für mich Grund genug, eine Wallfahrt zu initiieren, so dankbar bin ich. Dem Pro dagegen reicht nicht, dass er die Bahn trifft, sondern er will sie an der richtigen Stelle treffen. Denn schon dieses Detail kann entscheidend sein, ob es am Ende ein Par, Birdie oder Bogey wird.

Demütige Gurkenrunden

Und jetzt überlegen Sie mal, wie sich ein Thorbjørn Olesen gefühlt haben muss, als er am Samstag mit einer 84 vom Platz gegangen ist. Keine Frage, der Nord Course von Green Eagle war in der Turnierwoche auch für diese Jungs eine echte Herausforderung. Marcel Siem wurde nicht müde uns zu erläutern, dass es sich anfühlt wie bei einer US Open. Aber die teils hohen Ergebnisse - mit denen wir jede Clubmeisterschaft locker gewinnen würden - haben wirklich an den Pros genagt. Es ist eben alles eine Frage der Perspektive. 

In diesem Sinne bin ich wirklich froh, wieder geheilt worden zu sein. Und so werde ich weiterhin demütig meine Gurkenrunden drehen und drei Kreuze machen, dass ich nicht vom Golf spielen leben muss. Denn auch das brachte mich während meiner Abstecher in die Mixed Zone zum Nachdenken: Da steht ein Pro auf der Range, zaubert traumhafte 180-Meter-Draws in den norddeutschen Himmel, die Ballkontakte sind episch und die Drives landen jenseits der 300 Yards. Und trotzdem verpasst er den Cut, weil vielleicht halt zwei, drei Putts nicht fielen. Es ist wirklich brutal. Und eben immer eine Frage der Perspektive.

Bleiben Sie sportlich, gesund und fröhlich.


Sieger Kalle Samooja (Bild: Porsche Golfsport)

Fabian Kendzia

Fabian Kendzia
Handicap-Papa-Kolumnist

I Alter: 44 Jahre I Wohnort: Erfurt, Thüringen I festangestellt in einer Werbeagentur I Familienstand: Freundin, 2 Kinder

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