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Pro/Contra

Party als Lösung?

Profigolf-Turniere dürfen Spaß machen, laut sein und ein fröhliches Event über Marketing-Maßnahmen hinaus bieten. Brauchen wir also auch hierzulande Golfstadien wie im TPC Scottsdale, um die Massen für Golf zu begeistern?

04. September 2020

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Die Phoenix Open hat 1987 mit dem Stadium Course des TPC Scottsdale ein neues Zuhause gefunden. Ein Umzug, der das reguläre PGA-Tour-Event zu einem ganz besonderen Spektakel gemacht hat. An den vier Turniertagen pilgern um die 500.000 Golfbegeisterte in die Wüste Arizonas. Der Hauptgrund für das große Zuschauerinteresse ist das 16. Loch. Das vergleichsweise einfache Par 3 wird von großen Tribünen gesäumt, die Jahr für Jahr bis zum letzten Platz gefüllt sind.

Viele Studenten von der nahegelegenen Arizona State University sowie "einfache" Golffans sorgen traditionell für eine große Party. Schlechte Schläge werden mit Boo-Rufen quittiert, während gute Schläge umso lautstarker bejubelt werden. Das Resultat: ein unvergleichliches Erlebnis, das die Phoenix Open so einzigartig macht. Stimmungstechnisch kann da eigentlich nur der Ryder Cup mithalten, wobei dort die Zuschauerzahlen an den Turniertagen meist auf um die 50.000 begrenzt sind. Die elektrisierende Atmosphäre ist das Markenzeichen der Phoenix Open. Ein Erfolgsrezept, von dem sich auch Turnierveranstalter in Deutschland etwas abschauen können? Daniel Dillenburg beantwortet diese Frage mit einem klaren "Ja", Robert Frank steht dem Vorbild USA kritischer gegenüber.

Pro: Sport ist Unterhaltung. Und Unterhaltung muss fesseln

Sport ist Emotion. Nur über Gefühle funktioniert die Unterhaltung. Als Martin Kaymer im Herbst 2012 Europa zum Ryder-Cup-Sieg puttete, hüpfte das Gemüt des geneigten Golffans. Warum? Nicht nur, weil eine historische Aufholjagd geglückt war, sondern weil der sonst eher zurückhaltende Kaymer selbst hüpfte wie ein kleines Kind. Er hatte sich anstecken lassen von der Stimmung, von seinen Mannschaftskollegen, die selbst alles in diesen Tag hineingeworfen hatten.

Die Reaktionen von Sportlern und Zuschauern sind ein Emotionsträger. Man stelle sich vor, ein WM-Finale würde ohne Zuschauer ausgetragen? Grabesstimmung zur Siegerehrung. Und genau so ist es oft - selbst auf den größten Golfturnieren der Welt.

Auf Deutschlands Turnierplätzen trifft sich beispielsweise das weiße Hemd mit der Bundfaltenhose, überspitzt formuliert. In den USA werden auch Shorts, Trucker-Caps und Flip-Flops getragen.

Nicht nur Marcel Siem und Martin Kaymer genießen die ausgelassene Stimmung am anderen Ende des Atlantik. Auch der weniger golfinteressierte Sportseher ist beeindruckt von der Überzeugungskraft, die eine feiernde Fangemeinde transportieren kann.

Sport ist Unterhaltung. Und Unterhaltung muss fesseln. Wer mitleidet und mitfeiert, findet einen Bezug zu dem, was ihn derart mitreißt, auch wenn er den Sport (noch) nicht selbst betreibt.Golf kommt so auch hierzulande mehr in die Mitte der Gesellschaft. Dort, in der Mitte, wird der Sport gefeiert - gerne lautstark und ekstatisch. Dass es dafür keine hunderttausend Fans braucht, ist klar. Es geht darum, dass Sportrezeption in der großen Gemeinschaft, gelöst von den Flüsterzwängen der vermeintlichen Tradition, den Sport selbst und dessen Außenwirkung positiv beeinflussen kann. Es geht nicht darum, dass Zuschauer in die Schläge der Golfer reinschreien, das tun sie beim Tennis in aller Regel auch nicht.

Es geht darum, die leisen Zwischenräume zu füllen. Das ist gut für das Image des Golfssports. Gut für TV-Anstalten, die Emotionen transportieren müssen. Und gut für die, die Spaß mit ihrem Sport haben wollen.

Contra: Die Pflicht zur Kür fehlt

Sicher ist die Volksfeststimmung von Scottsdale eine nette, feuchtfröhliche Abwechslung im geschäftigen Turnieralltag. Dennoch sind Popcorn-versüßte Sportevents, bei denen das Happening im Vordergrund steht, ein ur-amerikanisches Phänomen - zwar marketingstrategisch aufgeblasen, aber doch letztlich historisch gewachsen wie die Tribünen um die 16. Bahn in Scottsdale.

Warum also nicht auch in Deutschland so eine Entwicklung anstoßen?

Nun, weil die Pflicht zur Kür fehlt. Golf hat in den USA einfach eine andere Tradition als Volkssport, Golf Schauen sowieso. Klar, die US-PGA ist Weltmarktführer und bietet ganz andere Gelegenheiten. Zudem hätten wohl nur wenige US-Bundesstaaten Platzprobleme wie Deutschland bei der zurückliegenden Ryder-Cup-Bewerbung gehabt. Es passen einfach derzeit keine 180.000 Zuschauer auf einen hiesigen Golfplatz - und diesbezüglich macht mal ausnahmsweise die Menge die Musik.

Bei der Clubmeisterschaft mag ja um das letzte Grün so etwas wie lokal motivierte Begeisterung aufkommen - man könnte ja vielleicht im nächsten Jahr selber den entscheidenden Putt vorbei schieben. Aber bei den Profis ist man, wenn überhaupt, klar abgegrenzte Distanz gewohnt.

Die Tour-Turniere über das mutwillige Spektakel zurück nach Deutschland holen zu wollen, ist vielleicht doch etwas pappnasig gedacht. Dann könnte man auch gleich beim österreichischen Taurinbrausehersteller anfragen, ob die nicht mal ein Golfevent in einer funky Location aufziehen wollen - schließlich gibt es mit Rickie Fowler als Markenathlet schon erste vorsichtige Annäherungen an die konservative Kaufkraft der Golfer.

Wo aber wäre Platz? Wie man hört, hätte der Lausitzring noch Vakanzen. Oder die Bauruine des Berliner Flughafens - Rollrasen verlegen klappt vielleicht gerade noch.

Nein, wir müssen den Amerikanern wirklich nicht alles nachmachen. Denn auch die europa-eigenen Golftraditionen sind so schlecht nicht. Das werden wir wieder im Open-Sommer in St. Andrews sehen.

Sebastian Burow

Sebastian Burow
Freier Redakteur

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