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Pro/Contra

Ist die Blase geplatzt?

Die PGA Tour versucht den widrigen Corona-Bedingungen zu trotzen. Müssen die sich häufenden positiven Tests bei Spielern Konsequenzen haben?

04. September 2020

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Nach einer dreimonatigen Pause kehrte die PGA Tour vor wenigen Wochen zurück und trug am vergangenen Wochenende ihr drittes Turnier inmitten der Corona-Pandemie aus. Vorsichtsmaßnahmen, die größtmögliche Sicherheit für alle Beteiligten garantieren sollen, wurden über die lange Pause kontinuierlich ausgearbeitet und werden weiterhin dynamisch angepasst. Denn der Status Quo verändert sich in dieser Zeit fast täglich. Und zwar nicht nur außerhalb der "Blase" PGA Tour, sondern auch innerhalb dieses kleinen Kosmos, in dem versucht wird, alle Spieler, Caddies und Verantwortlichen von der Außenwelt abzuschirmen und mittels umfangreicher Testverfahren infizierte Personen frühzeitig aus dem Verkehr zu ziehen.

Beim RBC Heritage, dem zweiten Event seit der Rückkehr, fiel der erste Test eines Spielers positiv aus. Im Zuge der Tests bei der Travelers Championship in der vergangenen Woche kamen drei positive Fälle hinzu. Auch zwei Caddies hatten sich infiziert, was dazu führte, dass ihre jeweiligen Arbeitgeber nicht antraten. Personen, die mit Infizierten in Kontakt kamen, ziehen sich vorsichtshalber freiwillig zurück oder werden kritischen Blicken ausgesetzt, wenn sie trotzdem weiterspielen - ein negativer Test ist Voraussetzung.

Eine Rückkehr ohne Zwischenfälle war reines Wunschdenken, aber muss man bei der PGA Tour nach einem solchen Anstieg von positiven Corona-Fällen nicht langsam darüber nachdenken, die Zelte wieder abzubauen und das Projekt "Rückkehr" für gescheitert zu erklären? Golf.de Redakteur Daniel Dillenburg ist für einen Abbruch. Thomas Kirmaier sieht dagegen noch eine Chance.

Pro: Zu viele Individuen auf einem zu großen Schiff

Natürlich. Als Golf-Redakteur und in aller erster Linie als Golffan wurde die Rückkehr der PGA Tour mit viel Vorfreude herbeigesehnt. Endlich wieder den besten Spielern der Welt dabei zuschauen, wie sie mit dieser kleinen weißen Kugel all das machen, wovon man selbst nur träumen kann. Auch wenn einem das ausgesperrte Publikum und die gedämpften Siegeremotionen auf dem 18. Grün abgehen - Profigolf lässt sich auch so ganz gut ansehen. Und doch herrschte von Anfang an große Skepsis an dieser Rückkehr, die in aller Anfangseuphorie noch verdrängt wurde. Spätestens mit dem ersten positiven Test in Woche zwei wurde man in die Realität zurückgeholt. Der Wunsch nach Normalität ist nur schwer zu erfüllen. Auch für die PGA Tour.

Es geht nicht darum, dass die Verantwortlichen um Kapitän Jay Monahan keinen guten und sicheren Plan ausgearbeitet haben. Soweit man das von außen beurteilen kann, scheint man keine Kosten und Mühen zu scheuen, um dieses Flaggschiff sicher durch den Sturm zu navigieren. Aber wie soll man diese riesige Besatzung voller Individuen in gemieteten Häusern und Charter-Flugzeugen unter Kontrolle bekommen? Mit einer künstlich errichteten Blase? Seit der Rückkehr wurde in drei verschiedenen US-Bundesstaaten gespielt. Als nächste Station steht Detroit auf dem Programm. Eine Stadt, die zwischenzeitlich als Epizentrum der Corona-Tragödie in den USA galt.

Hielten sich alle Beteiligten an die Vorgaben der PGA Tour, die in der Theorie wenig Angriffsfläche bieten, könnte das Schiff im Hafen anlegen. Dies findet in der Realität aber schlichtweg nicht statt, was sich allein schon beim Betrachten der Live-Bilder immer wieder mal zeigt. Caddies und Spieler stehen teils Schulter an Schulter und selbst der Kapitän selbst ließ sich den ein oder anderen Faustgruß mit Tour-Mitgliedern nicht nehmen. Was passiert dann erst, wenn die Kameras ausgeschaltet sind? Deswegen soll hier nicht mit der Moralkeule geschwungen werden, jedoch muss man doch vielleicht einsehen, dass der Wanderzirkus PGA Tour in der derzeitigen Lage einfach nicht zu verantworten ist. Erst recht nicht vor den Menschen, die nichts mit dem Sport zu tun haben. Und nachdem nun allein unter den Spielern in den ersten drei Wochen bereits vier positive Fälle bestätigt wurden, muss es selbst der Golffan einsehen: Die Blase ist geplatzt.

Contra: Kein Schwarz oder Weiß

Ja, es ist ein Warnsignal, dass Spieler und Caddies auf der Tour positiv auf Covid-19 getestet wurden. Und ja, die Zahlen, die uns bezüglich Neuinfektionen aus den USA erreichen, sind alles andere als beruhigend. Und doch: Die PGA Tour hat sich entschlossen, die Serie fortzuführen. Das ist gut so, und trotz aller Umstände: Die Tour sollte nicht erneut unterbrechen, sondern weiterspielen. Dabei geht es weniger um das Motto "The Show must go on!". Mehr um die Frage: Wie sieht der Wunsch nach Normalität aus? Vor allem: Wie sieht die neue Normalität aus? Wir werden noch länger mit Corona leben müssen als uns lieb ist. Also sollten wir anfangen und lernen, mit dem Virus umzugehen.

Man muss den Verantwortlichen der PGA Tour ein Lob aussprechen, dass sie den mutigen Weg der Wiederaufnahme gegangen sind. Klar geht es auch um Geld, aber auch um ein Zeichen, um Sport, um Ablenkung in Zeiten ständig negativer Schlagzeilen, um Lebensfreude. Die US-Tour hat nach intensiven Gesprächen und Beratungen ein strenges Sicherheits- und Hygienekonzept erarbeitet. Natürlich halten sich nicht immer alle an Abstandsregeln. Aber das wird nie und nimmer hundertprozentig umzusetzen und kontrollierbar sein. Dass sich bei den ersten drei Events mehrere hundert Personen eben nicht angesteckt hatten, ist keine Meldung wert. Wenn einer positiv getestet wird, aber kaum Symptome hat, schon. So funktionieren Medien im 21. Jahrhundert. Angst und Panik. Der völlig falsche Weg.

Menschen brauchen gerade jetzt Mut und Zuversicht. Golf kann da sehr viel leisten. Es ist geradezu prädestiniert, vielleicht sogar der perfekte Sport, der in dieser sensiblen Phase ausgeübt werden kann. Frische Luft, viel Raum, Natur, nahezu null Kontakt. Und außerdem: Wie gefährlich dieses Virus wirklich ist, darüber streiten sich immer noch die Virologen. Die PGA Tour nun wegen der zuletzt aufgetretenen Fälle erneut zu unterbrechen, würde das völlig falsche Signal setzen, erneut Unruhe schüren. Zumal: Von infizierten Spielern und Caddies ist zu lesen, dass sie lediglich geringe bis überhaupt keine Symptome haben. Mit Nachdruck die geltenden Regeln einfordern – ja. Die Tour wieder abbrechen – nein. Es muss noch etwas anderes geben als Schwarz oder Weiß.

Thomas Kirmaier

Thomas Kirmaier
Freier Redakteur

Früher Eishockey, jetzt Golf. Arbeitet als freier Redakteur u.a. für den Deutschen Golf Verband. Golferische Homebase: Bad Griesbach.

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