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Handicap Papa

Digital Detox

Handicap-Papa-Kolumnist macht Schluss - mit dem sinnlosen Daddeln im Internet.

04. September 2020

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Das war der Moment, als mir klar wurde, dass ich nun eine Teenie-Tochter habe: Meine Freundin, unser fünfjähriger Sohn und ich lagen bereits einen halben Tag ab Badeteich unseres Urlaubshotels, als ein blasser Zombie in Kindergröße um die Ecke gestelzt kam und blaffte: "W-LAN geht nicht!" Meine Antwort (irgendwas mit "Nicht mein Problem") kam natürlich im Zombie-Hirn nicht an - denn rechts und links vom Zombie-Hirn steckten zwei weiße Kopfhörer. Da ich jedoch keine Anstalten machte, mich zu erheben, schien die Botschaft klar zu sein: Kümmere dich selbst! Der Zombie blickte mich so zornig an, als hätte ich gerade ein Koala-Baby im Bade-Teich ertränkt und stakste von dannen.  

Am Abend dann, als wir durchgegrillt vom Sonnentag, unser Apartment betraten, wagte ich mich in die Höhle des Zombies: Da saß ES - zusammengeknüllt auf ein iPad starrend. Nachdem ich gefühlte zwei Stunden neben ihr stand, blickte meine Tochter tatsächlich auf - und mich sogar an! Als ich trocken bemerkte, dass sie ja schon Spinnenweben angesetzt hätte, sprang Zombie-Tochter auf und hielt mir eine ordentliche Standpauke: Ich hinge ja auch den ganzen Tag am Smartphone, um mein beklopptes Golf-Zeug zu gucken (1:0 für sie). Und schließlich hätte auch sie Urlaub und das wäre eben ihre Art zu entspannen. Obendrein leben in einem freien Land. Nicht in Nordkorea. 4:0 für sie.

Das Lieblingsritual

Später als alle zu Bett gegangen waren, vollzog ich mein Lieblingsritual des Tages: Bier auf, Smartphone an. Und dann Schwunganalysen inhalieren, Tour-Stände checken, Golfchannel quergucken, um anschließend bei meiner derzeitigen Lieblingsbeschäftigung anzukommen: mich über deutsche Golfinfluencer lustig machen, die für ein Porsche-Endorsment ihre Oma verkaufen würden, dann aber doch nur für Sonnencreme Werbung machen dürfen - dank ihrer unglaublichen fünfzehntausend Follower, wovon 5.000 ukrainische Social-Media-Bots sind. 

Doch in diesem Moment merkte selbst ich, der leicht degenerierte Ignorant, dass ich ja wohl mit zweierlei Maß messe: Einerseits meiner Tochter mit eingeschränkter Bildschirmzeit zu drohen, was für einen Teenager Guantanamo gleichkommt - selber aber die halbe Nacht durch zu surfen. 

Der Mario Basler der sozialen Netzwerke

Natürlich bin auch ich auf Facebook, Instagram und Twitter. Einige von Ihnen, liebe Leser, folgen mir sogar. Und Sie sind dann auch meiner Familie gegenüber eine astreine Ausrede - "Leserbindung" schwadroniere ich dann immer voll glühendem Schlaubergertum. Dabei bin ich auf meinen Social-Media-Kanälen so aktiv wie einst Mario Basler beim Konditionstraining. Vielmehr bin ich Teil der schweigenden Masse, der einfach nur mitliest. Oder Social-Media nutzt, um die ehemalige Klassenkameradin aus der 5b zu stalken, in die ich mal verknallt war. 

Obendrein - und das wurde mir an diesem Abend besonders bewusst - besteht meine Social-Media-Blase tatsächlich nur aus Golf. Was persé ja nicht schlecht ist. Passt aber zu dem, was ich neulich las: Dass wir alle in unseren Filterblasen leben und ausschließlich Kontakt mit Menschen haben, die so denken wie wir. In meiner Filterblase sieht das so aus: Langer göttlich, Tiger super, Jimenez cool, Reed doof, Augusta ein Traum, ohne Draw kein einstelliges Handicap, Putten ist langweilig, DGV rückständig etc.pp.

Digitales Detox 

Zur Erkenntnis, dass ich in meiner Blase hocke, ohne tatsächlich über den Teller- bzw. Blasenrand zuschauen, kam eine weitere hinzu: Ich schaue in Sachen Golf einfach zu viel Quatsch. Oder präziser: Ich schaue Dinge, die für mich Motorik-Legastheniker völliger Quatsch sind: zum Beispiel stundelange Schwunganalysen von Rory McIlroy. Als ob seine Bewegung auch nur im Entferntesten etwas mit der meinen zu tun hätte. Oder Driving-Tipps von DJ. Da könnte ich mir auch gleich Quantenphysik erklären lassen. 

So langsam wuchs in mir in die Einsicht - an jenem Abend im Urlaub, beim zigsten Bier angelangt - dass ich mein SocialMedia- und Internet-Surf-Verhalten doch mal überdenken sollte. Gut, die wahre Erleuchtung wäre natürlich, das Daddeln einfach einzuschränken, um mehr Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Ich rechnete es mir lieber in Drivinrange-Stunden um, was mich deutlich mehr motivierte.

Am nächsten Tag erzählte ich der Familie von meiner biergeschwängerten Illumination am Vorabend. Und erntete schallendes Gelächter. Mir sei doch das Smartphone angewachsen, meinte meine Freundin. Unser Sohn, ähnlich begriffsstutzig wie sein Vater, verstand nur, dass Papa jetzt kein Handy mehr hat - Panik in seinen Augen! Was wird nur aus den 1,2 Millionen Folgen Paw Patrol, die er noch nicht gesehen hat!? 

…und plötzlich piepste mein Smartphone. Nachricht von golf.de: die nächste Handicap-Papa-Kolumne steht an! Danke, liebe Leser, sie haben mich mal wieder gerettet.

Fabian Kendzia

Fabian Kendzia
Handicap-Papa-Kolumnist

I Alter: 44 Jahre I Wohnort: Erfurt, Thüringen I festangestellt in einer Werbeagentur I Familienstand: Freundin, 2 Kinder

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