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Menschen

Europas Schöpfer

Severiano Ballesteros war Spanier, für den Rest des Kontinents war er jedoch in erster Linie Europäer. Ein charismatischer Golfer, der alle begeisterte, die ihn sahen. Am Samstag, den 7. Mai 2011, verlor der fünfmalige Major-Sieger im Alter von 54 Jahren den Kampf gegen sein Krebsleiden.

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Pedreña, ein Küstenort Kantabriens, Mitte der Sechziger Jahre: Mit einem gekürzten 3er Eisen wandert ein schwarzhaariger Junge den Strand entlang, schlägt Steine in den Wind. Der Siebenjährige kommt gerne hier zum Atlantik, oftmals fehlt er wegen seiner Spaziergänge in der Schule. Das Spiel mit den Steinen bildet den Ursprung des Golfers Severiano Ballesteros. Und es ist, mit dem Wissen über das, was kommen wird, der Anfang des europäischen Golfs, wie wir es heute kennen.

Der kleine Severiano entwickelt sich vom Sandgolfer an Spaniens Nordküste schnell zur großen Verheißung des alten Kontinents. Die Gene sind ausgezeichnet, der Onkel glänzt zu dieser Zeit beim Masters, auch der ältere Bruder verdient mit dem Golfspiel gutes Geld. Mit 17 wird Seve, heute eines der bekanntesten Markenzeichen im Golf, Profi.

Kein Spieler seines Formats war bei diesem Schritt jünger, doch trotz seines frühen Starts bleibt seine Karriere für einen Golfspieler relativ kurz. Von 1976 bis 1995 sammelt er 91 Titel, darunter dreimal die British Open (1979, 1984, 1988), zweimal das Masters (1980, 1983). Als der gutaussehende Spanier mit den europäischen Manieren und dem stilsicheren Kleidungsstil Ende der Siebziger Jahre in der Weltspitze ankommt, macht auch der Mensch Ballesteros ordentlich Eindruck. "Alle auf der Tour haben über ihn geredet", weiß Chubby Chandler, Manager von Spielern wie Lee Westwood und Ernie Els und Tour-Kollege von Ballesteros zu dieser Zeit.

Das Auftreten, seine Ausstrahlung, sein Charme - all das, was ihn zu einem europäischen Helden macht, einem Idol, dem besonders die britische Insel, Heimat des Golfspiels, zu Füßen liegt, gipfelt in einer Leidenschaft für den Sport, die jeden mitreißt, der ihn bei dem beobachtet, was er am liebsten tut: Golf spielen. In seiner Jugend entscheidet er sich gegen Fußball und Radsport, auch deshalb ist er ein anderer Athlet, als die vielen Golfsprösslinge aus England und den USA.

Und er ist so viel jünger, fast überall wo er hinkommt. Mit 19 führt er die British Open nach drei Runden an, fällt dann schnell zurück, gibt sich aber dennoch nicht auf. Sein Endspurt von fünf unter Par auf den finalen vier Löchern ist Golfhistorie und macht den Kampfeswillen und die Leidenschaft des Severiano Ballesteros weltbekannt. Neben Legende Jack Nicklaus beendet er das Turnier auf Rang zwei. Drei Jahre später gewinnt Ballesteros erstmals die Open Championship und wird damit endgültig die Galionsfigur des europäischen Golfsports. Und baut diese Stellung aus: 1980 ist er der erste Europäer, der das Masters in Augusta gewinnt, der jüngste zudem. 1985 gewinnt er mit Europa den Ryder Cup, zum ersten Mal in der Geschichte.

"Ich weiß nicht, was oder wer der Kopf der European Tour ist", sagt Padraig Harrington am Tag des Abschieds von Severiano Ballesteros. "Aber ich würde definitiv für Seve stimmen. Er ist das Gesicht der European Tour." Dessen Chef, George O’Grady, schließt sich an und nennt Ballesteros heute "die Inspiration", den Geist, der hinter der europäischen Tour stehe. Seine frühen Siege heben Europas Golf auf Weltniveau, in seinem Windschatten entwickeln sich Bernhard Langer, Ian Woosnam und Sandy Lyle zu Top-Golfern, die Europas erste goldene Ära prägen.

Der Liebling St. Andrews'

In dieser hat auch El Momento seinen Platz, für Ballesteros der "größte Moment meiner Karriere". Wieder ist es die Open Championship, diesmal 1984 in St. Andrews, dem Home of Golf. Die Pose des Siegers Ballesteros nach dem entscheidenden Putt geht um die Welt, der Protagonist lässt sie später sogar vermarkten: ein lachender Ballesteros, Faust ballend, Zähne zeigend. Im Hintergrund meint man immer noch die Zuschauer schreien zu hören. Selten wurde einem Sportler - und das im Ausland – je so eine Zuneigung zuteil wie dem Spanier Ballesteros auf Schottlands heiligstem Golfgrund.

Lange liegt er zurück, dann fängt er Legende Tom Watson auf den letzten Löchern noch ab. Der Mann aus den USA, selbst ein Freund der Fans, erweckt in diesem Moment nicht nur aufgrund seines verpassten Sieges Mitleid. Die Sympathien rund um den Kurs sind einerseits überwältigend und einzigartig, gleichzeitig aber auch ungleich verteilt. Seve Ballesteros ist ein Golfer fürs Volk: leidenschaftlich aber immer positiv, höflich aber nicht angepasst. Missstände, beispielsweise im konservativen Augusta, spricht er deutlich an. Bei keinem Golfer ist sich Europa in seiner Zuneigung so einig.

Bis Mitte der Neunziger Jahre bleibt Severiano Ballesteros erfolgreich, dann beginnt ihn der Rücken zu plagen. Titel holt er ab 1995 nicht mehr, Beobachter, die seinen athletischen runden Schwung in der Folge im Training sehen, schwärmen vom Glanz des Ballesteros-Golf. Sein berühmtes Kurzspiel, mit dem der "Künstler" (Eigenaussage) mitunter hanebüchende Drives immer wieder ausglich, blitzt dann wieder auf. In den Wettkampf kann Ballesteros, der insgesamt 61 Wochen die Nummer eins der Welt ist, die Kunst nicht mehr übertragen. Die mentale Seite spiele nun auch eine Rolle, heißt es.

Ryder-Cup-Held 1997

Dennoch bleibt er ein Siegertyp. Den Ryder Cup 1997 holt er quasi im Alleingang in sein Heimatland nach Valderrama, der erste Kontinental-Wettkampf auf dem europäischen Festland. Obwohl er keinen Ball spielt, ist Kapitän Seve Ballesteros der entscheidende Mann. Er hat sein Team auf den Punkt eingeschworen und motiviert. Die Spieler schauen zu ihm auf, zu dem Mann, der Golf in Europa zu dem gemacht hat, was es heute ist. Die USA verlieren deutlich, der alte Kontinent liegt Ballesteros wieder einmal zu Füßen.

2008 bricht der 51-Jährige am Flughafen in Madrid zusammen. Bei der anschließenden Untersuchung wird eine Gehirntumor diagnostiziert. Severiano Ballesteros wohnt zu dieser Zeit ein paar hundert Meter weg vom Bauernhaus, in dem er aufwuchs. Dort, wo der kleine Seve seine ersten Schritte tat, machte er auch seine letzten. Am 7. Mai 2011 stirbt Severiano Ballesteros in Pedreña, einem Küstenort Kantabriens im Norden Spaniens.

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