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Interview

"Von der Technikschiene wegentwickeln"

Florian Fritsch im exklusiven Interview über die Motive seiner aktuellen Trainer-Ausbildung und Lernmöglichkeiten aus anderen Sportarten.

04. September 2020

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Florian Fritsch spricht im exklusiven Interview über die Motive seiner aktuellen Trainer-Ausbildung, Verbesserungsmöglichkeiten im deutschen Golfsport mit Lernmöglichkeiten aus anderen Sportarten sowie über persönliche Dreifachbelastungen und erklärt seine Begeisterung für die Golf-Jugendförderung. /

Sie haben sich für eine Ausbildung bei der PGA of Germany entschieden. Welche berufliche Karriere planen Sie neben Ihrer Spielerkarriere?

Florian Fritsch: In den letzten Monaten und Wochen hat sich das alles konkretisiert: Ich möchte definitiv weiterhin spielen. Deswegen werde ich 2020 auf der Pro Golf Tour antreten. Ziel ist es, im darauffolgenden Jahr dann wieder den Schritt in Richtung European Tour zu unternehmen. Das ist wichtig für mich, weil langfristig nur diese Tour relevant ist. Ich stecke als dreifacher und verheirateter Familienvater in einer Lebenssituation, in der aus finanzieller Sicht eine Pro Golf Tour und eine Challenge Tour auf Dauer nicht finanzierbar sind.

Es steht 2020 also ein harter Weg über die Pro Golf Tour für Sie an …

FF: Ich werde einen Turnierkalender mit acht bis zehn Turnieren zusammenstellen. Mehr werden es nicht sein. Das ist kürzer als auf der Challenge Tour, das heißt dass ich während und zwischen den Turnieren mehr Zeit haben werde. Auch deswegen habe ich mich dazu entschieden, berufsbegleitend im Modul zwei der Golflehrer-Ausbildung bei der PGA of Germany anzufangen, nachdem ich 2013 bereits meine Assistentenprüfung erfolgreich absolviert habe. Nach erfolgreicher Prüfung im Frühjahr 2022 bin ich dann hoffentlich Fully Qualified PGA Golfprofessional der PGA of Germany.

Klingt nach ambitionierten Zielen mit einer kräftigen Dreifachbelastung mit Turnieren, Trainerausbildung und Familie …

FF: Meine Familie ist es seit Beginn an gewohnt, dass ich viel unterwegs bin. Ob dies jetzt für 18 bis 20 Turniere pro Jahr ist oder für neun bis zehn Turniere plus Ausbildungsseminare andauert, ist am Ende unerheblich. Es ist im Gegenteil sogar einfacher, weil die Pro Golf Tour weniger Tage für ein Turnier einnimmt. Außerdem macht es einen Unterschied, ob ich zu einem Turnier nach Madrid fahre oder zu einem Seminar innerhalb Deutschlands. Es wird meiner Meinung nach in diesem Jahr einfacher für mich werden.

Wie lautet Ihr Plan für die nächsten Wochen?

FF: Ich werde diesmal nicht nach Spanien ins Trainingslager gehen. Ich kann hier in Deutschland mit der guten Trainingsstruktur in St. Leon-Rot viel trainieren. In den letzten Jahren hat sich einiges an Positivem getan. Nach Trainingsturnieren in der Umgebung geht es dann Ende April auf der Pro Golf Tour im österreichischen Haugschlag los. Bis dahin werde ich meine täglichen Hausaufgaben erledigen und an meinen Fähig- und Fertigkeiten arbeiten. Und natürlich fleißig meine Seminare zur Trainerausbildung besuchen.

Welches Thema hat Sie bei der PGA-Tagung in Kassel besonders stark interessiert?

FF: Für mich war die PGA Arbeitstagung in Kassel zunächst einmal Neuland. Ich bin das erste Mal auf einer Arbeitstagung der PGA of Germany gewesen. Ich fand einige Themen super spannend. Zum Beispiel der Vortrag von Ryan Jamison mit Einblicken in College-Golf-Team waren sehr interessant.

Auch deshalb, weil in diesem Vortrag der Unterschied in der Golflehre zwischen den USA und Deutschland noch einmal deutlich wurde?

FF: In den USA geht der Ansatz in der Lehre überspitzt formuliert mehr darum: Hier ist der Golfball - jetzt heißt es machen. In Deutschland geht es mehr um das Wie und die Technik. Am Ende des Tages geht es im Leistungssport darum, mit möglichst wenigen Schlägen einzulochen. Ich glaube deshalb, dass wir uns in Deutschland von dieser reinen Technikschiene wegentwickeln sollten. Diese Sichtweise ist zwar vorhanden, wird aber nicht konsequent umgesetzt.

Planen Sie auch eine eigene Aktivität in diesem Bereich?

FF: Ich habe vor, in diesem Bereich eine unabhängige Beratungsinstanz aufzubauen. Ich habe viele Erfahrungen diesbezüglich sammeln dürfen, vom Internat in den USA über meine College-Zeit von 2005 bis 2008. Ich habe in Deutschland bis zu sechs Schulen bis zu meinem Abschluss besucht und denke also, dass ich viel praktische Erfahrung mitbringe.

Wie haben Sie den gut besuchten Vortrag des langjährigen Bundesliga-Spielers und -Trainers Ewald Lienen erlebt?

FF: Die Art und Weise, wie Ewald Lienen seinen Vortrag gehalten hat, war klasse. Er hätte da ein Kabarettprogramm draus machen können, ohne dass er dabei die Inhalte aus den Augen verloren hat. Inhaltlich war ganz viel dabei, was auch mit dem College-Vortrag von Jamison zusammengepasst hat.

Kann Golf von Fußball oder von anderen Sportarten lernen?

FF: Ich bin ein ganz großer Freund von Austausch über Sportarten hinweg. Zum Beispiel der Bobsport. Ich durfte im letzten Jahr mit dem Bobpiloten Johannes Lochner zwei Mal mitfahren. Eben dort habe ich ihm dann Fragen gestellt wie: Wie schafft er es, Verantwortung für seine drei Anschieber zu übernehmen, die nach dem Einstieg voll auf ihn angewiesen sind? Und wie geht er damit um, wenn ihm Fehler unterlaufen? Diese Fragen finde ich total spannend. Das Thema Menschenführung ist auch für Golf relevant.

Wie sieht ihr Austausch mit dem ehemaligen Skispringer Sven Hannawald aus?

FF: Sven Hannawald ist ein guter Sportler und dabei menschlich sehr aufgeschlossen. Es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten. Bei einem gemeinsamen Treffen ging es darum, wie er mit Druck in seiner Karriere als Skispringer umgeht. Da kann man sich austauschen und ich konnte Dinge lernen, die mir helfen. Sven hat sich zum Beispiel angeeignet, nicht mehr zwischen Training und Wettbewerben zu differenzieren. Er versucht, jeden Sprung im Training so anzugehen, als ob es ein Sprung im Wettbewerb wäre.

Inwiefern gibt dieser Ansatz eine Lösung für Ihr Spiel?

FF: Ich habe zuvor eine starke Differenzierung im Golf zwischen Training und Wettkampf gemacht. Sven hat mich dazu angestupst, das anders zu sehen. Das hat die Qualität und Intensität in meinem Training gesteigert.

Was ist für Sie persönlich ein wichtiges Thema im deutschen Golf?

FF: Jugendförderung finde ich wichtig und wird in Deutschland sehr engagiert angepackt. Dies ist nicht selbstverständlich da der Golfsport nun mal fast komplett privat finanziert wird. Dass sich unter diesen Rahmenbedingungen trotzdem so viele Clubs finden, die in die Jugend investieren, finde ich fantastisch.

Gibt es aus Ihrer Sicht dennoch Luft nach oben, dieses System zu verbessern?

FF: In diesem Zusammenhang stellt sich mir die Frage: Bedeutet fördern auch gleich Fordern im Sinne des Leistungssports? Macht es Sinn, im Rahmen einer Jugendförderung auch gleich Leistungssport-Ergebnisse zu fordern? Kann ein zehnjähriger Junge wirklich schon sagen, ob er European-Tour- oder Nationalkader-Spieler werden möchte? Oder sind da eventuell noch Phasen wie die Pubertät zwischengeschaltet, wo Ziele und die Leidenschaft der Jugendlichen so richtig durcheinandergewirbelt werden? Darauf müssen wir meiner Meinung nach ein bisschen mehr eingehen.

Wie stellen Sie sich eine Umsetzung konkret vor?

FF: Ich habe mir den Rahmentrainingsplan für Jugendliche des Deutschen Golf Verbands angesehen. Die Autoren haben da aus meiner Sicht eine tolle Arbeit geleistet. Richtig werden dort drei Bereiche aufgelistet: Ein paar Jugendliche gehen auf den Golfplatz, weil sie sich messen wollen. Andere wollen einfach Spaß haben. Und andere Jugendliche spielen Golf wegen den Kumpels, die das auch machen. Wir haben also neben der Leistungssport-Komponente noch zwei andere Komponenten. Die dürfen wir auf keinen Fall aus den Augen verlieren. Wer weiß, vielleicht entwickeln sich aus den anderen beiden Bereichen neben dem Leistungssport nach der Pubertät Spieler, die an die Spitze und Top-Athleten werden wollen. Ich denke, dass es mehr Sinn macht, mehr Kinder im Boot zu haben, als sich nur auf das eine Drittel im Leistungssport zu fokussieren.

Das Gespräch führte Robert M. Frank

Robert M. Frank

Robert M. Frank
Leitender Redakteur

Nach abgeschlossenem Sportwissenschaft-Studium an der TU München ab 2008 als freier Autor/Reporter/Sportjournalist für Online-Portale, Tageszeitungen, Zeitschriften und Agenturen tätig. Der gebürtige Münchner, Jahrgang 1981, stieß 2018 zum Redaktionsteam hinzu und ist seit 2022 Leitender Redakteur bei myGOLF.de. Golferische Heimat: Gut Rieden in Starnberg

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